Über Ziele, Leuchttürme und Konjunktive

Wann werden „Leuchttürme“ sichtbar?
Werden Mittelstädte Schlafstädte für Metropolen?
Wie verhindern wir die Abwanderung von Fachkräften?
Was macht der Leuchtturm S-Bahn?
Fragen zur 3. REVIERWENDEKonferenz.

„Sie sind hier sozusagen in der Hauptstadt des Kernreviers.“

Mit einem kleinen Augenzwinkern merkte Christian Thieme in seinem Grußwort an, man befände sich in Zeitz in der Hauptstadt des Kernreviers. Der Zeitzer Oberbürgermeister hob damit ab auf ein einst formuliertes Ziel: Zeitz zum Musterbeispiel erfolgreichen Strukturwandels zu machen. Er beobachte indes einen schleppenden Prozess bei der Erteilung von Bescheiden, auf die man dringend warte. Offen, kritisch und konstruktiv könnte man die Impuls- und Debattenbeiträge der Teilnehmenden am besten beschreiben.

Das DGB-Projekt REVIERWENDE lud gestern (30.5.) in die Zeitzer Klinkerhallen zur dritten REVIERWENDEKonferenz über Themen des Strukturwandels. So oft sich Gewerkschaften etwa in tariflichen oder Fragen der Mitbestimmung hart mit den Unternehmen auseinandersetzen – im Strukturwandel sind sie Partner und Verbündete der Beschäftigten, der Unternehmen und der Politik. Heute kamen MinisterInnen, StaatssekretärInnen, Verbandschefs, Generalbeauftragte aus den Ländern des Mitteldeutschen und Lausitzer Reviers in Zeitz zusammen. Die geballte Kompetenz also aus Politik und Wirtschaft hatten die Gewerkschaften geladen, über aktuelle Problemlagen des Strukturwandelprozesses in den Revieren mit ihnen und der interessierten Öffentlichkeit zu debattieren.

„Für eine echte Zwischenbilanz ist es zu früh. Wir sind aber gut aufgestellt.“

Dieser Einschätzung folgen gleich mehrere an den Inputrunden zu Beginn beteiligten ReferentInnen. Dennoch sähe man sich in den Revieren gut aufgestellt. Im sogenannten „Landesarm“ (siehe Fragen & Antworten) seien mehr als 300 Projekte, im „Bundesarm“ über 100 auf den Weg gebracht. Oft das Problem – die langen Planungsphasen. Darüber, dass die zu lang sind, bestand weitgehend Einigkeit. Auch darin, dass die Skepsis auslösende Ungeduld der Menschen verständlich sei. Es würde deshalb Zeit, für „sichtbare Leuchttürme“ zu sorgen. Das sei auch ein Grund bei der Deutschen Bahn, solche Bauprojekte in Angriff zu nehmen, die schneller realisierbar seien, wie etwa Bahnhöfe. Darüber informierte der DB-Konzernbevollmächtigte Martin Walden.

Ihm indirekt mit Fakten an der Stelle widersprochen hatte Marko Landgraf in seinem Kommentar. Der Präsident der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände Sachsen-Anhalts hatte akribisch die Hinderungsgründe benannt, weshalb Fachkräfte an bestimmten Orten nicht verfügbar seien. Einer davon sei der Faktor Zeit „und der hängt eben unmittelbar mit der Verkehrsinfrastruktur zusammen„, so Landgraf. Arbeitswege von mehr als einer Stunde nähmen die meisten Menschen eben nicht mehr auf sich. Damit dürfte er bei den Teilnehmern aus dem Raum Zeitz offene Türen eingerannt haben, die das Thema S-Bahnanschluss umtreibt. Ob der bisher beschriebene Zeitzplan (Inbetriebnahme 2035, mehr lesen) bestehen bleibe, ob die Finanzierung stehe, ob über die Haltpunkte neu nachgedacht werde und bis 2035 zumindest eine kürzere Taktung in Aussicht stehe sind hier die brennenden Fragen. Die S-Bahn Leipzig-Zeitz-Gera, eines der „Leuchtturmprojekte“ im Strukturwandel – was den Zeithorizont betrifft, war es am Ende doch noch mit einigen Konjunktiven versehen.

„Es reicht Orten wie Zeitz sicher nicht, Schlafstadt für Leipzig zu sein.“

Wichtiges Thema an diesem Tag natürlich auch, wie in den Strukturwandelregionen gute Arbeit organisiert wird bis die Arbeitsplätze wegen des Kohleausstieg wegfallen. Was unter „guter Arbeit“ zu verstehen ist, machte Frederik Moch klar. Für ihn  sind das industrielle Arbeitsplätze, solche die Wertschöpfung generieren, tariflich entlohnt werden und mitbestimmt sind. Der Projekleiter REVIERWENDE und DGB Bundesvorstand findet: „Es reicht Orten wie Zeitz sicher nicht, Schlafstadt für Leipzig zu sein. Es muss hier auch gut bezahlte tarifliche Arbeitsplätze in der Industrie geben“.  Es gehe um Nachhaltigkeit für und um Wertschöpfung in den Regionen.

In der Diskussion zeigt sich, welche Sorgen die Menschen hier umtreiben. René Schrödel aus Kayna spricht die Intel-Ansiedlung in Magdeburg an. Die sei für das Land zwar wichtig könne aber zur Folge haben, dass sie den hier in der Region ohnehin geringen Anteil an Hochqualifizierten verringere, weil es Fachkräfte wie einen Sog dorthin ziehen werde. Es müssten hier Konzepte entwickelt werden, die dem entgegenwirken. Das sei im Land bewusst und es würde sich intensiv damit auseinenander gesetzt, ist aus dem Podium zu vernehmen. Anwesende Betriebsräte aus hiesigen Unternehmen, wie der Betriebsratschef der Südzucker Frank Sachse, wissen um die Schwierigkeiten schon jetzt, geeignete Fachkräfte für die Zukunftsinvestitionen zu gewinnen.

Was am Ende von der 3. REVIERWENDEKonferenz bleibt? Auf jeden Fall die Erkenntnis, dass es sinnvoll und wirksam ist, gesellschaftlich so wichtige Themen wie diesen Strukturwandel infolge des Kohleausstiegs erstens permanent im öffentlichen Diskurs zu halten. Zweitens ist es wichtig, in diesem Diskurs hochrangige VertreterInnen der Planungs- und Entscheidungsträger direkt mit den Bedürfnisträgern vor Ort für den sachlichen Dialog zusammenzubringen. Das fördert das Problembewusstsein und gegenseitiges Verständnis. Was als Drittes bleibt ist die Möglichkeit, zwischen den Foren und Workshops mit diesem oder jener ein Gespräch zu führen, offene Fragen zu besprechen, sich zu verabreden.

Das ist den ProtagonistInnen der REVIERWENDE mit dieser, nun bereits dritten Konferenz sehr gut gelungen. Auch der Rahmen und die Logistik rundherum haben gepasst. Dafür ein Dankeschön und herzliches Glück auf!

Noch ein paar Bilder aus der Konferenz:

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