Zukunft in Echtzeit gestalten

Im Gespräch mit Ines Will, Referatsleiterin
Wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Zeitz und
Martin Stein, Teamleiter der SALEG
für das Projektbüro „Stadt der Zukunft“.

Exklusivinterview zum Start des Projektbüros

Mit dem 11. Oktober 2021 hat das Projektbüro „Stadt der Zukunft Zeitz“ seine Arbeit aufgenommen.
Was kann das Büro an der Seite der Stadt im Prozess des Strukturwandels leisten?

Ines Will: Jeder in Zeitz weiß, wie einschneidend die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der politischen Wende 1989/90 waren und Stadtbild und Stimmung bis heute prägen. Mit Hilfe der avisierten Fördermittel im Rahmen des Kohleausstiegs und den sich damit öffnenden Chancen wollen wir es diesmal besser machen. Wir wollen den Strukturwandel in der Stadt Zeitz aktiv und gemeinsam mit den Zeitzerinnen und Zeitzern gestalten, sie mit in den Prozess hineinholen, sie begeistern und für die Veränderungen gewinnen.

Dafür haben Sie sich Verstärkung geholt?

Ines Will: Die Sachsen-Anhaltinische Landesentwicklungsgesellschaft mbH SALEG als Geschäftsbesorger für das Projektbüro „Stadt der Zukunft Zeitz“ verfügt über eine hohe Expertise in der Entwicklung, Begleitung und erfolgreichen Umsetzung von Projekten für Stadtentwicklung und Transformationsprozesse inklusive des Fördermittelmanagements. Genau das brauchen wir hier in der Stadt. Das kann Verwaltung, das kann die schmal besetzte Wirtschaftsförderung nicht allein leisten.

Langer Titel, kurze Botschaft: „Stärkung der Transformationsdynamik und Aufbruch in den Revieren und an den Kohlekraftwerkstandorten – STARK“, heißt der Fördermitteltopf …

Martin Stein: …, aus dem sich das Projektbüro finanziert. Der Name ist Programm. Mit unseren Erfahrungen, ob im Rahmen der Internationalen Bauausstellung IBA Stadtumbau Sachsen-Anhalt 2010 oder des 500. Reformationsjubiläums in Lutherstadt Wittenberg, konzentriert sich die Arbeit auf zwei Schwerpunkte: konkrete Projekte und öffentliche Kommunikation. Denn für jedes der geförderten Vorhaben hier in Zeitz – ob beim Brikettmuseum Herrmannschacht oder der Sekundarschule III und Grundschule Mitte – geht es neben der notwendigen Gebäudesanierung um Nachhaltigkeit, Klimarelevanz und Zukunftsfähigkeit, kurzum: die Dinge weiter- und in einem größeren Zusammenhang zu denken. Und das gemeinsam mit den Menschen vor Ort.

Die Vision „Stadt der Zukunft Zeitz“ ist ambitioniert. Sind die Erwartungen (zu) hoch?

Ines Will: Strukturwandel heißt für die meisten schlichtweg Wegfall von Arbeitsplätzen. Wir als Verwaltung arbeiten intensiv daran, Weichen zu stellen, um der Wirtschaft der Zukunft den Weg zu ebnen. Es soll sich etwas ändern. Zum Besseren. Für alle. So steht „Stadt der Zukunft Zeitz“ nicht allein für neue Arbeitsplätze, sondern auch für ein zukunftsgewandtes Wohnen und Leben in der Stadt, das Menschen lockt, zu kommen und zu bleiben. Deshalb: Unsere Vision ist nicht zu ambitioniert. Ich würde sagen: Sie ist optimistisch.

Optimismus auch von Ihrer Seite, Herr Stein?

Martin Stein: Der Zukunftsplan, den das Kompetenzzentrum Stadtumbau in der SALEG geschrieben hat, zeichnet eine klare Perspektive für die vielen mittelgroßen Städte unseres Bundeslandes vor. Jede steht zweifelsfrei an einer anderen Stelle ihrer Stadtentwicklung, aber alle eint, im Städtenetzwerk neue Wege in neuer Zeit finden und gehen zu müssen: mit Hilfe der Digitalisierung, mit neuen nachhaltigen Bauweisen, mit neuen Mobilitätsangeboten … In Zeitz wird gegenwärtig das Verkehrskonzept fortgeschrieben. Kommunale Modellvorhaben der Nachhaltigkeit sind im gleichnamigen Bundesprogramm beantragt. Und vielleicht wird auch Wasserstoff als neue Energiequelle eine Rolle spielen … Ja, wir werden aus Zeitz kein Silicon Valley machen, aber ambitioniert Zukunftsthemen setzen und entfalten – für eine „Stadt der Zukunft“.

Was sind die nächsten Schritte?

Ines Will: Ganz klar: Sichtbar sein und werden! Es ist viel angeschoben worden und viel im Fluss. Jetzt kommt es darauf an, zu sortieren, zu informieren und alle mit ins Boot zu holen. Die Nachricht, dass Zeitz im Sachsen-Anhalt-Projekt beim Antrag zum Neuen Europäischen Bauhaus (NEB) eine Schlüsselrolle einnimmt, hat viele begeistert, aber auch die Frage aufgeworfen: Was hat Zeitz jetzt mit dem Bauhaus zu tun? Auch hier baue ich auf die Vermittlerrolle des Projektbüros.

Das sachsen-anhaltische Zeitz mit europäischer Dimension?

Martin Stein: Es sind Zukunftsfragen, die das Neue Europäische Bauhaus (NEB) aufwirft: ökonomische, ökologische, soziale … Längst arbeiten die Bauhaus Agenten unter dem Titel NEB an Zeitzer Schulen. Sie sind Vorboten einer Zeit, die nicht nur einen strukturellen, sondern eben auch einen kulturellen Wandel einfordert. Dass der Internationale Studiengang an der Hochschule Anhalt eine Vision für das Areal der alten ZEKIWA-Fabrik vorgelegt hat, ist Teil der ersehnten Entwicklung der exponierten Fläche, aber zuallererst ein Ideenpool, um neue Themen wie Digitalisierung, Mobilität, andere Bauweisen und -modelle zu diskutieren, und kann insofern vielfältige Antwort darauf geben, wohin die Reise zur „Stadt der Zukunft“ im besten Falle führen kann.

Um darüber ins Gespräch zu kommen, braucht es Plattformen…

Martin Stein: … analoge und digitale, die die Prozesse sichtbarer und durchschaubarer werden lassen und die „Lust auf Strukturwandel“ wecken. Für unmittelbare Begegnung wird ab März/April das Projektbüro am Zeitzer Roßmarkt 13a zu finden sein, für einen Austausch im Netz noch im Februar die Internetseite des Projektbüros online gehen. Das Credo: „Wir gestalten Zukunft in Echtzeit“.

Vielen Dank! Das Gespräch führte Cornelia Heller, Journalistin.

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